Keine Angst vor Algorithmen | W&V

2022-09-10 12:36:33 By : Ms. Fiona Meng

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Sind Algorithmen die besseren Designer? Lukas Cottrell, Geschäftsführer der Peter Schmidt Group, glaubt an die Genialität menschlicher Kreation.

Sind Algorithmen die besseren Designer? Diese Überlegung entspricht in etwa der Frage, ob Schimpansen mit einer Schreibmaschine und sehr viel Zeit irgendwann Shakespeare produzieren könnten. Doch die Fähigkeit, einem Computer das Denken beizubringen, kann die Magie des Designs nicht ersetzen.

Sicherlich, wir beschäftigen uns intensiv mit den Möglichkeiten künstlicher Intelligenz und ihrer Bedeutung für das Markenmanagement und die Designentwicklung – aber dennoch, oder genau deswegen, glaube ich an die Genialität menschlicher Kreation. Sie wird auch künftig den Unterschied ausmachen zwischen ästhetischer Fließbandware und wirklich ikonischer Gestaltung.

Ein Beispiel: Die Kollegen von Nutella hatten eine sehr gelungene Promotion-Idee und haben mit Hilfe eines Algorithmus sieben Millionen individuell gestaltete Gläser mit unterschiedlichen bunten Mustern produziert. Aber: Ist irgendeines dieser Gläser gestalterisch wertvoll? Und ich spreche nicht von der spannenden Vertriebsidee, sondern eben von der Qualität des Designs. Ich würde sogar die Frage stellen, ob es sich hier überhaupt um Design handelt.

Ein Algorithmus kann wenig zum visuellen Diskurs beitragen.

Während wir noch heute über das "weniger, aber besser" von Dieter Rams sinnieren, die Kunst des feinen Maßes von Kurt Weidemann bewundern oder Otl Aicher die optische "Läuterung" deutschen Designs zu verdanken haben, kann ein Algorithmus wenig zum visuellen Diskurs beitragen. Design ist Kommunikation. Und zwar menschliche. Mir ist also nicht angst und bange, dass eine künstliche Intelligenz den Designern dieser Welt die Arbeit wegnimmt.

Aber Achtung: Das heißt nicht, dass Designer nicht vielleicht sogar froh sind, einen Teil ihrer Gestaltungsarbeiten ganz bewusst abzugeben, diese automatisiert "abarbeiten" zu lassen oder mit Hilfe des Computers sogar zu optimieren. Warum sollte alltägliche Gestaltung nicht auch von einem alltäglichen Computer erledigt werden?

Die Reproduktion von Populär-Ästhetik oder die Repetition von Erfolgsmustern kann ohne weiteres eine CPU erledigen. Die digitale Welt ist voll mit Beispielen gestalterischer Homogenisierung, in der Daten das visuelle Optimum definieren. All das kann auch ein Computer erledigen.

Die eigentliche Mission eines Designers ist eine ganz andere. Es geht darum, Neues zu erschaffen, Probleme kreativ zu lösen, Strategien sichtbar zu machen oder Verständigung zu ermöglichen. Im Kleinen und im Großen.

Designer inspirieren und faszinieren uns mit Ideen und Lösungen, die unser Leben einfacher, emotionaler oder sinnvoller machen. Design ist immer auch ein spielerisches Experiment mit ungewissem Ausgang. Aus der Sicht eines Computers muss so etwas wie Zauberei anmuten. Das lässt sich nicht berechnen. Daher: Keine Angst vor der Macht des Algorithmus!

Wie schon bisher, werden wir Computer inklusive ihrer zukünftigen Intelligenz als hilfreiche Kollegen nutzen, um gestalterische Fließbandarbeit zu bewältigen oder Komplexität zu verarbeiten. Designer gewinnen so neue Freiräume, um kreativ zu sein und sich auf unkonventionellen Wegen außergewöhnlichen Lösungen zu nähern. Es gibt für alle genug zu tun. Egal ob menschlicher Gestalter oder AI.

W&V-Gastautor Lukas Cottrell ist Managing Director der Branding- und Designagentur Peter Schmidt Group. Er ist diplomierter Volkswirt und arbeitete vor seinem Wechsel zur BBDO-Tochter bei Landor Associates und Future Brand. Cottrell ist Experte für Markenstrategie und digitale Transformation. 

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Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen wird in unseren Texten nur die männliche Form genannt, stets sind aber die weibliche und andere Formen gleichermaßen mitgemeint.